„Erst kommt das Fressen, dann die Moral“

Was werden wir mit Phrasen wie „unter Finanzierungsvorbehalt“, „Lenkung der Zahlungsströme“ und „Flüchtlingsbekämpfung“ zugeballert. Wir alle unterliegen dem allumfassenden Diktat des Shareholder Value unter der Geisel des demokratiekonformen Marktes. Alles andere ist naive Sozialschwärmerei.

++++++ VORSICHT, ÄTZEND-MORALISCH ++++++

Verdammt noch mal, es muss doch irgendwo Werte und Normen geben, die einen Rest menschlichen Anstandes und etwas Menschlichkeit aufrecht erhalten – alternativlos, verbindlich und fraktionsübergreifend. Zumindest sollten wir einmal einige gesellschaftliche Gleichungen einmal überdenken.

Rumäne = Sozialschmarotzer / Mein Tipp an die CSU – zur augenblicklichen Rechtsgrätsche einfach noch einen Klassiker drauflegen: „Die Rumänen und Bulgaren nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg“. Manno, schade, und ich habe so intensiv an meiner Karriere als Spargelstecher, Arbeiter am Bau und als hochbezahlte Pflegekraft gearbeitet.

Alt = unnütze Human Resource / Wie haben sich diese Menschen in ihrem Leben krumm gearbeitet, dass wir heute zeckerlfett leben können. Warum können wir nicht einfach gerührt sein, wenn wir ein altes Ehepaar sehen, bei dem der Partner, der gesundheitlich noch besser beieinander ist, den anderen händchenhaltend stützt? Unser zugeballertes Hirn weiß das leider meist zu verhindern – mit dem Klassiker „Was die uns kosten“…

Schwuler = Mensch / Chapeau, Hitz „The Hammer“ hat eine gesellschaftlich wichtige Debatte angestoßen. Aber typisch deutsch – im Ringen um Political Correctness und dem moralinsauren Betonen dieser Gleichung wird doch auch klar, wie latent homophob wir noch sind. Beispiel gefällig? Wer von uns denkt im Meeting daran, welche Praktiken der Chef mit seiner Gattin bevorzugt? Bei Homosexuellen machen wir das.

DAX = Essenzieller Parameter / Was erzählen die uns da alles? Syrische Flüchtlinge verunsichern die Anleger, das „Wachstum“ stagniert, eine „Gewinnwarnung“ in einem DAX-Konzern kostet selbstverständlich 1.400 Arbeitsplätze, der Arbeitgeberpräsident warnt und Hans Werner Sinn gibt quartalsweise diametral zu seinen Namen entsprechende Statements. Deshalb meine Ode an das Tafelwerk: Wenn ich mich bei solchen Prognosen ein wenig an die Stochastik erinnere, dann wird mir klar, dass eine zutreffende Vorhersage wahrscheinlicher wäre, wenn man einen Schimpansen auf eine Dartscheibe werfen lassen würde. Viel anders werden die das auch nicht machen. Aber wir blicken erstaunt und lassen uns treudoof ergeben unsere „German Angst“ weiter befeuern.

Nett = kleine Schwester von Scheiße / Die Nettigkeit ist die Geisel unserer Ellenbogengesellschaft. Warum eigentlich? Ist es nicht schön nett zu anderen Menschen zu sein? Wenn ich einmal eine Freundin habe, möchte ich schon, dass die nett ist und nicht scheiße. Das wäre schön. Kinder, bin ich naiv, und auch noch dazu nett. Kein Wunder, dass ich es im Leben zu nichts gebracht habe…

Echte Werte = Sozialschwärmerei / Was für ein unnützer Blödsinn: Leistungsunabhängiger Respekt vor allen Menschen, der Starke stützt den Schwachen und Anstand und Freundlichkeit gegenüber allen Menschen. Warum gilt das in unserer Gesellschaft eigentlich als phantastische Sozialschwärmerei? Frei nach Berthold Brecht gilt selbstverständlich „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Und während die einen um ihr Weihnachts- und Urlaubsgeld, um ihre Urlaubsziele und um den gediegenen Mittelklassewagen zittern stellen sich andere bei der Tafel an…

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